Nutzung der Opt-Out-Regelung

Nein zur Bezahlkarte

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Westkamp,

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragen, das Thema Bezahlkarte für die nächste Sitzung des Rates als Tagesordnungspunkt vorzusehen.

Mit einer Änderung am Landesgesetz zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes hat die Landesregierung der flächendeckenden Einführung einer Bezahlkarte für Schutzsuchende in Nordrhein-Westfalen zugestimmt. In der entsprechenden Bezahlkartenverordnung vom 02.01.2025 ist allerdings eine sog. Opt-Out-Regelung vorgesehen: Die Kommunen haben die Möglichkeit, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht im Regelfall in Form der Bezahlkarte zu erbringen. Dafür ist ein Ratsbeschluss erforderlich.

Beschlussvorschlag für den Rat

Der Rat der Stadt Wesel möge beschließen:

Der Rat der Stadt Wesel sieht keine Notwendigkeit für die Einführung der sogenannten Bezahlkarte für Geflüchtete im Zuständigkeitsbereich unserer Kommune.

Nach aktueller Gesetzeslage kann jede Kommune selbst über die Einführung der Karte entscheiden. Daher beabsichtigt der Rat für die Stadt Wesel von der Nutzung der Opt-Out-Regelung des Gesetzes zur Durch-führung des Asylbewerberleistungsgesetzes NRW1 Gebrauch zu machen. Die Verwaltung wird beauftragt, alle dafür notwendigen Schritte vorzunehmen, weitere Beschlüsse, sofern erforderlich, vorzubereiten und dem Rat zur Entscheidung vorzulegen.

Der Rat nimmt zur Kenntnis, dass auch in Wesel einige Geflüchtete (z.B. bei Ausweisung einer neuen Landes-einrichtung ZUE im Stadtgebiet oder Menschen, die keinen Anspruch oder faktischen Zugang zu einem Bankkonto haben) die geplante landesweit gültige Bezahlkarte erhalten werden.

Für diese Menschen fordert der Rat der Stadt Wesel von der Landesregierung, dass eine solche Bezahlkarte die Nutzer*innen nicht diskriminiert.

Begründung:

Am 9. Oktober 2024 wurde im Landtag NRW die Bezahlkarte als Regelfall der Leistungserbringung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – im Land wie in den Kommunen – ermöglicht.

Allerdings hatten einige Kommunen zuvor schon deutlich gemacht, dass sie bereits über erprobte Möglichkeiten der Leistungserbringung verfügen und daran auch festhalten wollen. Daher sieht der Gesetzentwurf eine sog. Opt-Out-Regelung vor, von der auch die Stadt Wesel Gebrauch machen sollte. Denn Wesel ist sehr erfolgreich damit, dass kommunal zugewiesene Asylbewerber*innen in der Regel über ein Bankkonto verfügen und finanzielle Hilfen möglichst unkompliziert und unbürokratisch über dieses Konto erhalten.

Die Bezahlkarte für Geflüchtete steht aus unterschiedlichen Gründen bundesweit in der Kritik:

So kann die Migrationsforschung zeigen, dass die mit der Einführung der Karte verbundene Hoffnung, die Migration von Menschen ohne gültige Einreisepapiere zu beschränken, eher unrea-listisch ist. Auch wenn Leistungen nicht mehr bar ausgezahlt und Rücküberweisungen an die Familien oder an „Schlepper“ unmöglich werden sollten, werden sich Menschen weiter auf den Weg machen, weil Stabilität, Schutz vor Verfolgung oder bereits in Deutschland lebende Verwandte wichtigere Migrationsgründe sind – und vor allem die Aussicht, durch reguläre Jobs auch die Familie zu Hause unterstützen zu können.

Wohlfahrtsverbände, NGOs, Gewerkschaften und Kirchen kritisieren eine diskriminierende und integrationshemmende Wirkung:

Die Bezahlkarte stigmatisiere geflüchtete Menschen, bevormunde sie in ihrer Lebensführung, erschwere ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und behindere so nicht zuletzt auch die Arbeit der in der Integrationsarbeit Tätigen.

Die Verwaltung der Stadt Wesel setzt seit langem sehr erfolgreich vorrangig auf Geldleistungen, denn es sind keine Hinweise auf missbräuchliche Handlungen in nennenswertem Umfang erkennbar. Belastbare Hinweise zum Transfer von Leistungen ins Ausland liegen nicht vor. Außerdem werden keine Verwaltungsvereinfachungen, sondern eher Mehrarbeit und höhere Kosten erwartet.

Daher ist für Wesel, wegen des seit vielen Jahren praktizierten Vorrangs von Geldleistungen, keine Lösung absehbar, die den Aufwand nicht erhöhen würde und deshalb abzulehnen.

Daher möge der Rat der Stadt Wesel zu dem Schluss kommen, die bisherige Praxis der Leistungserbringung für kommunal untergebrachte Geflüchtete beizubehalten. Die Geflüchteten sollen weiterhin so schnell wie möglich über ein eigenes Konto – bei einem Institut ihrer Wahl mit den Beratungsmöglichkeiten und Vorteilen örtlicher Anbieter – verfügen, dass sie mit den üblichen Karten nutzen und auf das Transferleistungen problemlos überwiesen werden können.

Daher spricht sich der Rat der Stadt Wesel nachdrücklich gegen die Einführung einer Bezahlkarte aus und beschließt, die Opt-Out-Regelung zu nutzen.

Mit freundlichem Gruß 

Marlies Hillefeld,  Vorsitzende des Sozialausschusses                                               

Ulrich Gorris, Fraktionssprecher