Errichtung eines Klimaschutzfahrplans und Gründung eines Klimabeirats

Der Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Herr Ulrich Gorris wendet sich heute mit folgendem Antrag an die Bürgermeisterin der Stadt Wesel:

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Westkamp,

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bittet Sie, folgenden Antrag zur Beschlussfassung im Stadtentwicklungsausschuss und im Rat vorzulegen:

Die Verwaltung wird beauftragt, anschließend an das im Jahr 2013 mit Maßnahmen bis 2020 erstellte Klimaschutzkonzept, einen Klimaschutzfahrplan bis zum Jahr 2030 aufzustellen.

Darin werden verbindliche CO2 Reduktionsziele für die Sektoren Strom und Heizung, Mobilität, Konsum und Produktion für die Stadt Wesel bis zum Jahr 2030 festgeschrieben.

Begleitend wird ein Klimabeirat aus Mitgliedern des Rates, der Verwaltung, den Energieversorgern, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden, Vertretern von Handwerk und Industrie gebildet, der spezifische Ziele und Maßnahmen für Wesel vorschlägt und die Ergebnisse jährlich evaluiert.

Begründung:

Der Rat der Stadt Wesel bekennt sich zu den Klimazielen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Klimaneutralität, also die Grüne Null muss im Handeln der Gemeinde die gleiche Bedeutung bekommen wie die Schwarze Null bei den Finanzen. Wenn wir den Klimawandel nicht stoppen, hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln eine fünfmal höhere ökologische Schuldenlast.

Das Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2013 zeigte ein wirtschaftlich erschließbares CO2 Reduktionspotential von 19 % auf. Da fast alle im Klimaschutzkonzept vorgeschlagenen Maßnahmen nur mit deutlich reduziertem finanziellen und personellen Einsatz verfolgt wurden, ist vermutlich nur ein wesentlich geringerer Anteil gehoben worden.

Im Jahr 1990 verursachte jede Weseler Bürgerin und jeder Bürger 10,8 t CO² Emissionen. Das waren insgesamt 655.000 t. Um lediglich das 55 % Klimaschutzziel der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 zu erreichen, müsste dieser Wert auf 394.000 t mehr als halbiert werden. Laut Klimaschutzkonzept der Stadt Wesel aus dem Jahr 2013 wurden in den zurückliegenden 20 Jahren ca. 90.000 t reduziert. Da keine neuen Werte vorliegen, können wir nur schätzen, dass bis 2030 zwischen 200.000 und 300.000 t CO2 pro Jahr eingespart werden müssen.

Auf das Konsum- und Ernährungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger hat die Kommune nur geringen Einfluss.

Umso mehr ist es unsere Aufgabe, die wirkungsvollsten Maßnahmen, die schnell und kostengünstig umgesetzt werden können und die in unserem Einflussbereich liegen, zu erkennen und zu realisieren.

Beispiele für Emissionsbilanzen verschiedener aktuell diskutierter Maßnahmen und möglicher Ziele im Klimaschutzplan der Stadt Wesel:

1. Eine private Photovoltaikanlage (ca. 40 m²/6 kWp) produziert 6.000 kWh Strom pro Jahr und spart damit 3.600 kg CO2. Größere Anlagen auf Scheunen, Schulen, Gewerbehallen liefern entsprechend mehr.

Ziel: Jährlich neue Photovoltaikanlagen in einer Größenordnung von 20.000 m² zu installieren, würde bis 2030 zu einer Reduktion von 18.000 t CO2 (Gertec, 2013) führen.

2. Jedes Prozent Verschiebung im Modal Split vom Auto zum Fuß- und Radverkehr wird mit einer Einsparung von 1.500 t CO2 (Gertec, 2013) angegeben.

Ziel: Es wird eine Steigerung des Fuß- und Radverkehrs von 40 auf 60 % (Nahmobilitätskonzept der Stadt Wesel, 2015) an allen Kurzstrecken anvisiert. Einsparpotential 15.000 t CO2.

3. Im Stadtteil Schepersfeld mit 4.800 Einwohnern sollen in den kommenden fünf Jahren durch das Modellprojekt Innovation City 931 t CO2 (Innovation City – Wesel Schepersfeld, 2019) pro Jahr eingespart werden.

Ziel: Die schnellstmögliche Ausweitung des Modellprojektes auf das gesamte Stadtgebiet. Einsparpotential bei 60.000 Einwohnern ca. 11.000 t CO2.

4. In Bocholt wurde die Anzahl der Fahrgäste im ÖPNV durch die Einführung eines attraktiven Stadtbussystems um mehr als 1 Mio. Fahrten erhöht. Eine Verschiebung der Mobilität vom Auto auf den Bus um 1 % würde 1.300 t CO2 (Gertec, 2013) einsparen.

Ziel: Wesel erhöht durch die Einrichtung eines attraktiven Stadtbussystems den Anteil des Busverkehrs am Modalsplit um 5 %. Einsparpotential: 6.500 t CO2.

Weitere Diskussionspunkte:

Der Beitrag der Elektromobilität ist im Bereich der Pedelecs erheblich, weil sich der Bewegungsradius mit dem Fahrrad in etwa verdoppelt. Elektroautos tragen erst langfristig aufgrund der hohen Umweltbelastung bei der Batterieproduktion und des immer noch ungünstigen Strommixes nur geringfügig zum Klimaschutz bei. Jährlich müssten ca. 1.000 neue Elektroautos in Wesel zugelassen werden, um bei einer Fahrleistung von 15.000 km/a im Jahr 2030 ca. 3.000 t CO2 einzusparen.

Das Pflanzen von Bäumen muss auf jeden Fall ein Teil der langfristigen Klimaschutz- und Klimafolgenstrategie sein, hilft aber kurzfristig nicht weiter. Erst nach 40 Jahren ist ein ha Wald in der Lage, jährlich 13 t CO2 aus der Atmosphäre zu holen. Für 10.000 t weniger CO2 braucht Wesel also etwa 770 ha neuer Waldflächen.

Wichtig bleiben der Kampf gegen weitere Flächenversiegelung, ein Programm zur Dachflächen-, Fassaden- und Stadtbegrünung.

Die in einigen Gemeinden geführten Diskussionen um Osterfeuer ca. 100 x 100 kg sind Nebelkerzen. Das einmalige Verbrennen von 10 t Holz würden ca. 18 t CO2 produzieren. Man kann darüber nachdenken, ob man so viele und große Osterfeuer braucht, einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz wird man mit dem Verbot nicht erreichen. Feuerwerke tragen vor allem zu Sylvester erheblich zur Feinstaubbelastung bei. Eine erhebliche CO2-Belastung wurde bisher nicht dargestellt.

Abschließend:

Die Stadt Wesel wird im Haushaltsplan erhebliche Beträge für Energiesparförderung, für Energieberatung und Öffentlichkeitsarbeit, für Stadtbegrünung und für den öffentlichen Nahverkehr bereitstellen müssen. Zentraler Akteur vieler Maßnahmen können die Stadtwerke Wesel sein.

Die Liste der Maßnahmen ist in keinem Fall vollständig. Wir werden im Prozess regelmäßig nachsteuern müssen. Wenn die Bundesregierung begleitende regulatorische Rahmenbedingungen, wie z. B. eine Bepreisung von CO2-Emissionen beschließt, und wenn Bürgerinnen und Bürger die Angebote nutzen und sich klimafreundlich verhalten, können wir die gesetzten Klimaschutzziele erreichen und sogar übertreffen.

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