Zum Zeitpunkt der Beratungen lag der Fraktion noch kein Entwurf der Stadtverwaltung vor. Die Bürgermeisterin, die Dezernenten und Geschäftsführer der Gesellschaften haben die aktuellen Herausforderungen, den voraussichtlichen Fehlbedarf und die bedeutsamen Aufgaben und Projekte vorgestellt. Bis März wird eine fraktionsübergreifende Haushaltskonsolidierungskommission Vorschläge zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Stadt erarbeiten.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird mit den folgenden Prämissen und Forderungen in die Haushaltsberatungen einsteigen:
Die 2020er Jahre sind durch zahlreiche verknüpfte, teilweise globale Krisen geprägt. Die Klimakrise, Corona Pandemie, Kriege in der Ukraine und aktuell im Nahen Osten.
Digitalisierung und demografischer Wandel stellen unseren Wohlstand, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gewohnte Sicherheiten in allen Lebensbereichen in Frage.
Angesicht des enormen Transformationsdruckes verlieren immer mehr Menschen das Vertrauen in politische Parteien und staatliche Institutionen, die anstehenden Krisen zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund erstarken in vielen Staaten nationalistische, demokratiefeindliche Parteien.
Zwei Urteile des Verfassungsgerichts verdeutlichen das kaum lösbare Dilemma nachhaltiger Politik.
2021 forderte das Verfassungsgericht die Bundesregierung zu einer deutlich ambitionierteren Klimaschutzpolitik auf, um die Freiheitsrechte nachkommender Generationen zu schützen. Im November 2023 stoppte das Verfassungsgericht die Finanzierung des Klimatransformationsfond, um die Schuldenbremse einzuhalten.
Nicht weniger widersprüchlich sind die Herausforderungen für den städtischen Haushalt in Wesel! Der Stadt werden immer mehr Aufgaben zugewiesen, bei kaum eigenem Gestaltungsspielraum. Vor Ort spüren die Bürger*innen den Investitionsstau in den Schulen und Kitas, das mangelhafte Angebot im ÖPNV, gleichzeitige Baustellen im Schienen- und im Fernstraßennetz in der Region, steigende Kosten aller Energieträger und ungewisse Perspektiven bei der Wärmeversorgung, zu wenig bezahlbaren Wohnraum und zu wenig kühlendes Grün in der Stadt.
Globale, alle ökologischen und sozialen Systeme betreffenden Krisen können weder durch ein Festhalten an gescheiterten Strategien noch durch rigoroses Sparen aufgelöst werden.
Wir müssen weniger kurzfristig konsumieren und dafür nachhaltiger investieren.
Das Investitionsprogramm für Schulen und Kitas muss fortgesetzt werden. Allerdings sollten im jährlichen Haushaltsplan nur die Maßnahmen dargestellt werden, die auch geplant, vergeben und begonnen werden können.
Zu den mittelfristigen, nachhaltigen Investitionen zählt für die Grünen auch der Innovationscampus am Standort Niederrheinhalle. Das Leitziel der Hochschule Rhein-Waal „Nachhaltige Transformation der Region Niederrhein“ teilen wir aus vollem Herzen und fester Überzeugung.
Die Grünen sind davon überzeugt, dass die Stadt Wesel über die städtischen Töchter, die Stadtwerke, die Stromnetzgesellschaft und die neue Service und Energie Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten mehrere 100 Millionen € in die Transformation des Energiesektors investieren muss.
Kurzfristig können großflächiger PV- und Windkraftanlagen gebaut, bzw. Beteiligungen erworben werden.
Die kommunale Wärmeplanung muss so schnell wie möglich durchgeführt werden, damit die Stadt, die Bürger*innen und die Unternehmen Planungssicherheit bekommen und Fehlinvestitionen vermieden werden. Beispielsweise muss schnellstmöglich das Wärmepotential der Kläranlage genutzt werden. Hier wird Wärme für hunderte Wohnungen ungenutzt in den Rhein geleitet.
Von den Leitzielen Klimaneutrale Verwaltung bis 2025 und Klimaneutrale Kommune bis 2035 rücken wir nicht ab. Zur Kompensation der bis 2025 unvermeidbaren CO2-Emissionen der Stadtverwaltung schlagen wir einen Klimaschutzfonds vor, aus dem die Stadt CO2-Gutschriften aus PV- und Windkraftanlagen oder aus ökologischen Projekten wie Baumpflanzungen, Moor- und Weidenschutz ausschließlich auf den Gebieten der Stadt Wesel und der direkten Nachbarkommunen einkauft.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich die für eine Überarbeitung der kommunalen Förderpro-gramme für Klimaschutz, Grünflächen und Soziale Angebote ein. Kriterien müssen Nachhaltigkeit der Konzepte, überprüfbare Wirksamkeit und die Bedürftigkeit der Antragsteller*innen sein. Beispielsweise sollten Balkonsolaranlagen für Mieter*innen weiterhin gefördert werden. Bei den Sozialprojekten sind wir gegen die Übernahme der Personalkosten durch die Stadt für zwei Jahre. Solche kurzfristigen Projekte wirken nicht nachhaltig.
Die Grünen fordern, dass aus dem klimaorientierten Mobilitätskonzept im Jahr 2024 die Buslinie zum Kombibad und Auesee umgesetzt wird. Die Haushaltsmittel für die Markierung von Fahrradstraßen müssen von 15 T€ auf mindestens 50 T€ erhöht werden.
An der Entscheidung über die Folgenutzung des Areals des Heubergbads sollten die Bürger*innen analog zu dem in Bislich sehr erfolgreich durchgeführten Verfahren beteiligt werden.
Zu nachhaltigen, allerdings erst ab 2025 realisierbaren Ausgabensenkungen würde auch eine Reduzierung der Anzahl der Rats- und Ausschussmitglieder und der Aufsichtsratsmitglieder, z.B. bei den Stadtwerken beitragen.
Angesichts der Dringlichkeit der Aufgaben halten wir die von der Verwaltung vorgeschlagenen Steuer-erhöhungen für unumgänglich.
Wir regen an, im Rahmen der Haushaltsberatungen über eine Erhöhung der Parkgebühren in der Innenstadt und eine Reduzierung der gebührenfreien Zeiten zu diskutieren.
Die Verwaltung muss durch weitere Digitalisierungsprozesse, Optimierung von Abläufen, Reduzierung von Papierakten, effizienter werden. Die Einrichtung einer Stabsstelle Digitalisierung oder die Berufung einer/eines SMART City Manager*in halten wir für sinnvoll.
Die Verwaltung muss durch flexiblere Arbeitszeiten und -orte, flache Hierarchien mit klarer Verantwor-tung für junge, qualifizierte Mitarbeiter*innen attraktiver werden.
Ulrich Gorris, Fraktionssprecher